Dolomiten statt Tennengebirge vom 02.-06.10.2025

Leider konnte die geplante Durchquerung des Tennengebirges nicht durchgeführt werden, da auf der Karst-Hochfläche bereits Schnee lag und weiterer Schnee für den Sonntag angekündigt war. Die Werfener Hütte war leider auch immer noch geschlossen und die Kombination aus Sonne, Schnee, Tauen und Gefrieren mit Glatteisbildung sowie möglicherweise Nebel ließ Hans und Margot nach alternativen Zielen suchen. Hans machte sich daher im „wärmeren“ Süden auf die Suche nach noch offenen Hütten und dazu passenden Bergtouren, möglicherweise mit leichten Klettersteigen, um die freigenommenen Tage nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.

Tag 1: Passo di Giau – Rifugio Croda da Lago

Zu neunt ging es am Donnerstagmorgen mit dem Vereinsbus über den Felbertauern ins Pustertal und weiter nach Süden, durch Cortina d’Ampezzo hindurch, und hinauf auf den Passo di Giau. Hans hielt im Bus noch per Laptop eine Online-Einheit mit seiner Schulklasse ab und parkte anschließend den Vereinsbus talabwärts für eine optimale Wechselstrategie am Freitag, radelte danach mit dem E-Bike wieder hoch zum Pass. Der Rest der Truppe gönnte sich im Pass-Café Kuchen und Cappuccino. Mit leichtem Übernachtungsgepäck wanderten wir vom Pass ostwärts über die Forcella de Col Piombin und die Forcella di Giau südlich um das Massiv Croda da Lago zur Forcella Ambrizzola, danach nördlich weiter zur Rifugio Croda da Lago, die wunderschön direkt am Lago di Federa liegt. Das Wetter war zwar sonnig mit toller Nachmittagsstimmung, aber mit einem kalten, leichten Wind. Wegen der fortgeschrittenen Zeit ließen wir das optionale Bergziel Ponta Lastoi de Formin einfach weg. Ein gemütlicher Abend mit gutem Essen, gepflegtem Ratschen und Planung der nächsten Tage. Untergebracht waren wir in einem engen Neuner-Lager, dafür aber unter uns.

Tag 2: Überschreitung Ra Gusela – Nuvolau – Averau

Nach einem sehr guten Frühstücksbuffet und einer fantastischen Morgenstimmung am Lago di Federa wanderten wir nördlich hinab zur Passstraße, an der Hans am Vortag ja den Bus geparkt hatte, und fuhren wieder hinauf zum Passo di Giau. Diesmal Tagesgepäck mit Gurt, Klettersteig-Set und Helm. Der erste Gipfel der Nuvolau-Gruppe war die Ra Gusela (2595 m) mit einer kurzen, leichten Klettersteig-Passage (A/B) und am Ende einer Querung über ein steiniges Hochplateau. Wir machten Brotzeit und genossen den sensationellen Rundblick auf die Ampezzaner Dolomiten, die Fanesgruppe und die Tofane im Norden, von Nordost bis Südost den Monte Cristallo, die Sorapis und den formschönen Antelao, im Süden den Pelmo und das Chivetta-Massiv, gefolgt von Marmolada und Sella im Westen! Boah, eh!!!

Anschließend ging es weiter, zurück über das Plateau und nordwestlich hinüber zum Nuvolau-Gipfel (2574 m) mit einer kurzen Drahtseil-Passage und einer kurzen Leiter. Auf dem Gipfel des Nuvolau steht das gleichnamige Rifugio, auf dem ich schon als Jugendlicher vor fast fünfzig Jahren eine Gewitternacht mit meiner Familie verbracht hatte. Wir stiegen hinab zum Rifugio Averau, an dem sich Margot eine Cappuccino-Pause für ihr Handgelenk gönnte. Den Klettersteig auf den Averau (2649 m, A/B, Var. B), den wir auch wieder absteigen mussten, ließ sie uns schweren Herzens alleine genießen. Am schattigen Einstieg und mit aufkommendem kalten Wind erlebten wir ungewolltes Nordwand-Feeling, da auch die letzten Meter zum Gipfel mit Schnee und Eisplatten aufwarteten. Das bekannte Gipfelpanorama wurde nur kurz genossen, da es trotz Sonne wieder empfindlich frisch wurde und Margot an der Hütte auf uns wartete. Nach dem heiklen Abstieg im oberen Teil mussten wir feststellen, dass das Rifugio Averau leider gerade zugemacht hatte, und so wanderten wir mit Margot in der Sonne südlich um den Nuvolau herum wieder zurück zum Passo di Giau. Nach einem kurzen Cappuccino fuhren wir zwischen Civetta und Pelmo hindurch weiter nach Süden, durch das Val di Zoldo bis zum Duranpass mit dem Rifugio San Sebastian, das man auch für den Fernwanderweg von München nach Venedig nutzen könnte. Eine einfache Unterkunft mit einem Stockwerk und drei Zimmern gehörte uns alleine. Dafür sind die Betten sehr kurz mit Schlussbrett, sodass Rainer sich eine Beinrampe aus gefalteten Decken basteln musste, um bei 2,02 Metern seine Füße drüberhängen lassen zu können. Die Dusche als Vorhang im Minibad über dem zentralen Gulli mit Toilette und Waschbecken ist eng, aber zielführend. Wieder genossen wir gutes Essen, diesmal à la carte, typisch italienisch mit primi und secondi piatti. Das Beste war der offene Holzkamin in der Wirtschaft, der zwar etwas Rauch verbreitete, aber umso mehr wohlige Stimmung.

Tag 3: Cima Nord di San Sebastiano und Tamer Grande

Ein gutes Frühstück, überraschend im Keller serviert, ließ das Personal und den Wirt gute Höhenmeter und Strecke machen, da wir herzhaft zugriffen und Schwarztee, Kaffee, Brot, Butter oder Milch immer gleich leer waren. Wie schon am Tag zuvor wieder Tagesgepäck inklusive Gurt, Klettersteig-Set und Helm sowie etwas mehr zu trinken, da wir optional einen zweiten Gipfel planten und keine Möglichkeit zur Einkehr vorhanden war.

Direkt vom Pass ging es südöstlich hinauf und dann halb herum um den San Sebastiano in das zentrale, große, westlich ausgerichtete Kar Van di Caleda, unten bewaldet, steinig, etwas batzig und später ein typisches Schuttkar der Dolomiten mit mehreren Seitenkaren. Es war deutlich wärmer und wir konnten ohne warme Jacken laufen. Wir stiegen erst auf in Richtung Forcella San Sebastiano, vorbei an mächtigen steilen Felswänden, und setzten daher die Helme auf, erreichten so die nördliche Scharte. Hier blieb Margot für die letzten 80 Höhenmeter mit leichter Kletterei (I) zurück, um ihre Hand zu schonen. Am Gipfel angekommen (2488 m, I+), wehte ein frischer Nordwestwind, sodass wir nicht zu lange verweilten. Im Süden standen aus den Ebenen Wolkenbänke an, im Nordwesten zogen die ersten Wolkenfelder der kommenden Kaltfront auf. Der Abstieg auf den bröseligen Platten ist nicht jedermanns Sache und auch der Abstieg im steilen Schuttkar war auf den kleinen Kieseln teilweise recht rutschig. Auf halber Höhe des Kars machten wir eine kurze Brotzeitpause in der warmen Sonne und entschieden uns, den zweiten Gipfel noch zu versuchen. Dafür teilte sich die Gruppe, und eine 4er-Gruppe mit Margot machte sich nach ausgiebiger Pause an den Abstieg zurück zur Hütte am Duranpass. Eine 5er-Gruppe stieg derweil auf zur Forcella la Porta, um von dort auf das große, ausgesetzte Felsband in Richtung Tamer Grande zu kommen. Wir erreichten die Forcelletta del Tamer und hier wurde es alpin: Akute Steinschlaggefahr durch andere Bergsteiger und eigene Kameraden, eine ca. 15 Meter lange Kletterpassage (II+, altes Seil vorhanden), bröseliges Gelände, Schneereste und eine einzelne Kletterstelle (II+). Entlohnt wurden wir wieder mit fantastischen Tief- und Rundumblicken, machten Gipfelbrotzeit und genossen das wärmere Wetter mit hier wenig Wind. Um nichts falsch zu machen, stiegen wir auch auf den nicht weit entfernten zweiten Gipfelpunkt mit Steinpyramide, da der höhere Gipfel nicht ersichtlich war. Im Abstieg mussten wir wieder höllisch aufpassen, dass wir keine Steine lostraten oder auf den nassen Passagen mit Schnee- und Eisflächen ausrutschten. Auf dem Band registrierten wir erst im Abstieg mit Blick nach unten, wie schmal und ausgesetzt dieses war! Der weitere Abstieg zum sonnigen Rastplatz der anderen 4er-Gruppe und zurück zum Pass bot viel Gelegenheit für tolle Gespräche. Nach der notwendigen Körperpflege genossen wir bei Bier und Skiwasser die Wärme des Holzfeuers im Kamin der Gaststube. Mann, war das Abendessen gut!

Tag 4: Winterspaß Hexenstein am Passo di Valparole

Tja, und in der Nacht kam die Kaltfront mit Wintereinbruch, sogar so weit südlich! Am Passo Duran (1601 m) war es erst mal nur kalt, aber nach der Fahrt zurück zum Passo di Valparole (2192 m) waren wir im Winter angelangt, mit Nebel, wolkenverhangenen Gipfeln und einem eisigen, kräftigen Nordwestwind. Die Tourenplanung gestalteten Hans und Margot wieder sehr flexibel und da das Café am Pass geschlossen war, wanderten wir im Neuschnee zuerst auf den nahe gelegenen Piz Ciampei (2290 m). Durch die Bewegung und etwas Windschatten im Aufstieg wurde uns etwas wärmer. Im Abstieg fanden wir dann ein paar erstarrte Bergmolche mit knallorangem Bauch, die sicher auch überrascht waren von dem kräftigen Temperatursturz mit Neuschnee. Zwei Exemplare platzierten wir aus dem Schnee auf sonnigere, schneefreie Flecken. Nach kurzer Beratung am Bus und dem Wissen von Rainer um einen vorhandenen alten Stollen aus dem Ersten Weltkrieg nahmen wir das Projekt Hexenstein in Angriff: unten durch, halb herum, halb zurück, Klettersteig, Gipfel und Normalweg wieder runter. Der Zustieg zum Stolleneingang war etwas vereist, aber erst einmal drinnen war der Wind weg und die verschiedenen Stollenlöcher und ehemaligen Wohn- und Lagerräume boten interessante Aus- und Einblicke. Die Ganghöhe variierte, und für mich mit meinen 1,89 Metern und Rainer mit seinen 2,02 Metern war es teilweise anstrengend. Rainer lief sogar sicherheitshalber mit Helm. Am Ausgang mit Blick hinunter zum Passo di Falzarego machten wir kurz Pause und wanderten dann im südwestlichen Windschatten rund um den Hexenstein zurück in Richtung Passo di Valparole. Die Null-Grad-Grenze stieg und südseitig begann der Schnee zu schmelzen. Etwas oberhalb des Passes beschloss Margot, den restlichen Weg alleine abzusteigen, besuchte als Alternativprogramm das WK-I-Museum und wartete danach am Passo di Falzarego auf unsere Rückkehr vom geplanten Hexenstein. Die restlichen acht Bergsteiger*innen stiegen den halben Rundweg wieder zurück zum Einstieg des Klettersteiges (A/B), der hinauf auf den Gipfelrücken führt. Dort angekommen entschieden wir uns für den Gipfel und bogen rechts nach Südosten ein. Durch etwas Neuschnee, kalt und windig, erreichten wir bald den Gipfelanstieg, der durch die ehemaligen Schützengräben zwischen Felsen, über Felsstufen und teilweise Holzleitern hinaufführt. Die Stimmung am Gipfel war grandios: Sonne, Wolken, Schnee und Felsmassive rundherum bildeten eine beeindruckende Stimmung! Ein paar Erinnerungsbilder gemacht, noch schnell einen Riegel eingeschoben, und schon machten wir uns an den steinigen Abstieg zurück zum Bus am Pass. Wir sammelten Margot ein und fuhren erst in Richtung Cortina, bogen vorher wieder ab in Richtung Passo di Giau und erreichten unsere letzte Übernachtung in der Malga Giau. Eine schöne Hütte, neu umgebaut und renoviert, ein schönes großes 10er-Lager mit Stockbetten und schönem Bad mit heißer Dusche. Wieder ließen wir uns mit gutem Abendessen verwöhnen, verzogen uns aber bald ins bequeme Lager.

Tag 5: Monte Piana und Heimfahrt

Am Montagfrüh genossen wir wieder mal ein tolles Frühstücksbuffet, bevor wir zusammenpackten und heimwärts in Richtung Pustertal fuhren. Wegen des strammen Nordwestwindes und mit Windchilleffekt eisigen minus 10 Grad auf 2000 Metern beschlossen wir, den geplanten Hauptmann-Bilgeri-Klettersteig (B/C, W-NW) vom Dürrensee auf den Monte Piano nicht zu versuchen. Als Alternative wählte Hans eine Bergtour auf den benachbarten Monte Piana (2324 m), der über das weite Plateau mit seinem Nachbarn verbunden ist. Hans platzierte den AV-Bus am Abstiegsweg, um eine Rundtour zu ermöglichen, und radelte wieder mit dem E-Bike zurück zum Ausgangspunkt an der Straße zum Lago di Misurina im Süden des Monte Piana. Der Aufstieg, teils über eine alte geteerte Kriegsstraße, führte uns bei sonnigem Wetter und etwas wärmeren Temperaturen über die Forcella Alta hinauf zum Rifugio Monte Piana Angelo Bosi mit benachbarter Gedenk-Kapelle. Auf dem Hochplateau mit den beiden Gipfeln fand im Ersten Weltkrieg ein stark umkämpfter Stellungskrieg zwischen Österreichern und Italienern statt und ist mittlerweile ein historisches Freilichtmuseum mit Rundgang durch alte Stellungen. Vom Rifugio Bosi wanderten wir zum Gipfel mit einer Gedenk-Pyramide. Der 360-Grad-Rundblick erstreckt sich auf die Drei Zinnen, die Cadinspitzen, die Marmarole-Gruppe, die Monte-Christallo-Gruppe, die Hohe Gaisl, den Dürrenstein und die Dreischusterspitze. Lange konnten wir den Ausblick nicht genießen, da gefühlt ein antarktischer Sturm aus Nordwest über uns hinwegblies. Als Rundweg-Abstieg wählte Hans die Westseite, auf der der Weg erst unterhalb der Felsabbrüche des Monte Piana eisig entlangzog und später schattig und steil direkt hinunter zum Dürrensee führte. Teilweise ging es über abgerutschte Wegpassagen, eine vereiste Holztreppe und rutschige Holzplatten. Hinab ins Tal wurde es zunehmend wieder wärmer und Silke kühlte im Dürrensee sogar kurz ihre Füße. Während Hans wieder sein E-Bike abholte, setzten wir uns in ein Café, genossen final zusammen nochmals Cappuccino und Kuchen und machten uns am späten Nachmittag auf den Heimweg.

Fazit

Als Ersatztour für das Tennengebirge eine tolle und abwechslungsreiche Mischung aus Sommer und Winter, leichten Klettersteigen, super Gipfeln und fantastischen Ausblicken. Auch die Gruppe war eine sehr nette Mischung mit viel Humor und ab und zu ein paar Seitenhieben auf die Eigenheiten der Teilnehmer, die einen Bezug zu den Gefährten aus der „Herr der Ringe“-Reihe erlaubte. Herrliche Tage abseits des Alltags mit Lust auf mehr und Vorfreude auf die nächsten Touren mit Margot und Hans.

Thomas Scheller