am 10.06.2023
Wo schon kann man mit dem Boot in die Berge fahren? Natürlich am Königssee. Das macht sich unser Tourführer Marcel Platz zunutze für eine ausgedehnte Rundtour: von der Bootslände am Königssee zur Saletalm mit dem Schiff, dann zu Fuß weiter zum Obersee und Röthbachfall, über den Landtalsteig hinauf ins Hagengebirge zur Gotzenalm, hinab und zurück zum Königssee, über die Königsbachalm und den Hochbahnweg.
Mit einem der ersten Boote geht es um kurz nach acht los. Unsere kleine, aber feine Gruppe ist überschaubar, wir sind zu viert, hoch motiviert, neugierig und gespannt. Wir haben nur One-Way-Tickets gelöst, retour wird also auf jeden Fall gehatscht. Die Überfahrt zur Saletalm am südlichen Ende des Königssees dauert mit dem obligatorischen (und für die Bootsmannschaft lukrativen) Halt an der Echowand und dem Zwischenstopp bei St. Bartholomä eine gute Stunde.
Der Obersee ist eine halbe Stunde später erreicht. Der See liegt ungeheuer eindrucksvoll eingekesselt zwischen hohen Felswänden, er ist sehr fotogen und bei Touristen ungeheuer beliebt, besonders das Motiv mit dem Bootshaus im Vordergrund und den sich im türkis-grünlichen, klaren Wasser des Sees spiegelnden Felswänden dahinter. Entsprechend abgespeckt und abgenutzt ist der vordere Uferbereich. Obwohl es noch sehr früh ist, sind schon einige Fotografen mit ihren Begleitungen zu Werke. Da wird heute wohl wieder einiges bei Instagram landen. Der Uferweg führt westlich am Obersee entlang, teilweise ist er in den steilen Fels geschlagen und mit Stufen und Geländern versehen. Hinten erstreckt sich das Almgelände der Fischunkelalm.
Endlich sieht man auch den Röthbachwasserfall. Er überwindet in zwei Fallstufen die Röthwand und ist mit seiner gesamten Fallhöhe von 470 Metern der höchste Wasserfall Deutschlands. Wir erkunden den unteren Sturzbachabschnitt etwas genauer und steigen über umgestürzte und angeschwemmte Bäume, Äste, Wurzeln und Felsbrocken mühsam etwas höher. Bald ist kein weiteres Durchkommen mehr möglich.
Wir kehren um und erreichen weiter östlich unseren eigentlichen Aufstiegsweg, den Landtalsteig. Der führt in Serpentinen steil, teilweise ausgesetzt und mit Drahtseilen gesichert, und manchmal durch Eisenbügel als Tritthilfen entschärft, nach oben. Immer wieder bleiben wir stehen. Nicht etwa, weil wir verschnaufen müssen. Nein, nein, wir genießen ausgiebig die spektakulären Aussichten auf den Röthbachfall, den Obersee und das Watzmannmassiv. Leider haben sich mittlerweile viele Wolken gebildet, wodurch die Sicht in die Weite doch etwas leidet. Der Landtalsteig hat seinen Namen übrigens vom Landtalfall, den er quert. Der Landtalfall ist mit seiner Fallhöhe von 410 Metern der zweithöchste Wasserfall Deutschlands. Er ist ansonsten meist völlig unspektakulär, weil er nur, so wie heute, als kleines Rinnsal den steilen Fels herunterläuft. Vielleicht sollte man daher gar nicht von Fallhöhe sprechen, eher von 410 Metern Höhenunterschied.
Der Landtalsteig mündet auf 1213 Metern Höhe in den Pfad, der rechts zur Wasseralm führt und nach links ins Hagengebirge. Das ist unsere Richtung, aufwärts zur Gotzenalm. Der Weg führt abwechslungsreich zunächst durch Bergwald, durch aufgelassenes Almgebiet und an steil aufragenden Felswänden entlang. Irgendwann fängt es leicht an zu regnen, wir schlüpfen in unseren Regenschutz und marschieren weiter. Je höher wir kommen, desto spektakulärer müssten eigentlich die Aussichten sein: rüber ins Steinerne Meer, runter auf den Röthbachfall, vielleicht sogar auf den Obersee, den Königssee und den Watzmann dahinter, oder ins Hagengebirge. Heute dominieren mittlerweile die mehr oder weniger dichten Wolken, der Nieselregen verschleiert die Sicht. Wir erkennen aber unterwegs öfter stark geschädigte Waldgebiete, vermutlich durch Windbruch und Käferbefall. Abgebrochene oder umgefallene Bäume liegen kreuz und quer überund durcheinander. Alles bleibt liegen, wie es ist, wir sind ja in der Schutzzone des Nationalparks Berchtesgaden.
Bald ändert sich die Landschaft, wir haben die Hochalmflächen der Regenalm (1587 m) und der Gotzenalm (1685 m) erreicht. Mehrere Alm-Kaser stehen hier, der Springlkaser ist die privat geführte Berggaststätte, die gemeinhin als Gotzenalm bekannt ist. Hier kehren wir kurz ein, bevor wir uns auf den langen Abstieg zum Königssee machen. Der Regen hat längst aufgehört, die Sicht ist aber nicht besser geworden, daher verzichten wir auf den kurzen Abstecher zum Aussichtspunkt auf dem Feuerpalfen und marschieren gleich die sehr steile Almstraße runter zur Gotzentalalm. Über die Königsbachalm und den Hochbahnweg erreichen wir schließlich wieder den Parkplatz am Königssee.
Gute neun Stunden sind vergangen, seit wir in Salet von Bord gegangen sind. Mein Tracker zeigt mir etwas mehr als 23 Kilometer Gehweg und über 1500 überwundene Höhenmeter an. Respekt, wenn das mal so stimmt. Wie auch immer, es ist eine lohnende Unternehmung in eindrucksvoller Landschaft, durch die Länge und Dauer etwas fordernd, aber kurzweilig, in einer netten Gruppe frohgelaunt unterwegs, zumindest anfangs mit spektakulären Ansichten und Ausblicken. Die dichten Wolken später und der zeitweise Nieselregen haben das erhoffte grandiose Gesamterlebnis etwas geschmälert. Vielleicht ist das ein guter Grund, die Tour privat bei ganz stabilem Wetter nochmal zu gehen? Vielen Dank an die Gruppe für die anregende Begleitung und ganz besonders an Marcel für das Ausarbeiten, Organisieren und Führen.
Manfred Stiegler