Ja wo is er denn … der Großvenediger?

Diese Frage wurde mir auf der Tour auf den (bei guter Sicht) formschönen Gipfel des Öfteren gestellt. Aber alles der Reihe nach. Nach dem Lockdown schienen alle Bergnarrischen regelrecht ausgehungert zu sein, denn die angebotene Besteigung des 3657 m hohen Großvenedigers in den Hohen Tauern war am ersten Tag nach Erscheinen des Sommerprogrammes bereits ausgebucht. Es tut mir aufrichtig für alle leid, die ich nicht mitnehmen konnte. Mal schauen, was wir nächstes Jahr so machen.

Der Plan, zu neunt mit dem Vereinsbus anzureisen, und damit möglichst umweltbewusst zu fahren, wurde von der österreichischen Vorschrift durchkreuzt, die je Sitzbankreihe nur zwei Personen zulässt. Bei Regen starteten wir in Innergschlöß auf der Osttiroler Seite mit dem langen Anstieg zur neuen Prager Hütte. Trotz Regenwetter wählten wir den etwas längeren, aber landschaftlich schöneren Gletscherweg zunächst zur Alten Prager Hütte, welche als Museum eingerichtet wurde, und dann weiter hinauf zur bereits auf 2796 m hoch gelegenen Unterkunft. Wir erreichten die Hütte gerade rechtzeitig bevor die angekündigte Kaltfront über Nacht Gewitter und Neuschnee brachte. Am nächsten Tag folgten wir dann dem Rat des Hüttenwirtes, die Front ganz abzuwarten und dann bei aufklarendem Wetter in Richtung Gipfel zu steigen, der sich immer noch in Wolken hüllte, was leider auch den Rest des Tages so bleiben sollte. Am Gletscher angelangt teilten wir uns in zwei Seilschaften auf und stapften im tiefen Neuschnee immer höher und wurden dabei immer mehr von der den Gipfel einhüllenden Nebelsuppe verschluckt. Bald kamen uns schon erste Führerpartien entgegen, die resigniert den Rückzug mangels vorhandener Spur angetreten waren. Nur gut, dass es so etwas wie die Alpenverein-Aktiv-App gibt, die einen GPS-gestützt in die richtige Richtung schickt. Natürlich konnte ich nicht die ganze Zeit mein Handy in den Händen halten, zumal ich ja auch noch knietief spuren musste. So passierte es dann schließlich, dass wir zu weit in Richtung Kleinvenediger gingen und ein paar Höhenmeter in Richtung Großvenediger absteigen mussten. Endlich war der Gipfel, der reichlich von Bergsteigern, die von anderen Hütten aufgebrochen waren, belagert war, erreicht.

Abstieg vom Gipfel des Großvenedigers – Foto: Marcus Rau

Es dauerte aber gar nicht lange, bis wir fast alleine waren und sich dann doch noch die Nebelsuppe etwas lichtete und wir einen Rundumblick genießen konnten und für alle Mühen belohnt wurden. Man muss es einfach nur erwarten können. Da war er also, der alles überragende Großvenediger, den man bei guter Fernsicht von Grafing und Ebersberg aus hoch über dem Eingang des Inntales thronen sieht. Ein Teilnehmer, kein geringerer als unser erster Vorstand, gestand mir, dass endlich ein jahrelanger Wunsch in Erfüllung gegangen war, der ihm bislang verwehrt worden war. Na, das wurde aber auch Zeit. Der Abstieg lief ohne Probleme und wir konnten zurück in Innergschlöß noch unseren Durscht ausreichend löschen.

Marcus Rau