Lasörling und Gritzer Hörndle

Auf den Hauptgipfel der Lasörlinggruppe

Im letzten Jahr waren wir mit Margot ja schon in der Lasörlinggruppe unterwegs, damals fünf wunderschöne und abwechslungsreiche Tage vom Virgental aus, haben den namengebenden Hauptgipfel aber nicht „mitnehmen“ können. Das sollte nun nachgeholt werden, diesmal allerdings vom Defereggental, genauer von St. Veit aus.

Maria Himmelfahrt am 15. August ist Feiertag in Bayern und dieses Jahr ein Montag, wir haben also ein verlängertes Wochenende vor uns, als wir uns am Samstag auf den Weg nach Osttirol machen. Die Strecke zieht sich ziemlich, über den Pass Thurn, durch den Felbertauerntunnel nach Matrei in Osttirol bis nach St. Veit. Dort erwarten uns noch ein paar steile, schmale und kurvenreiche Straßenkilometer hinauf zur Speikbodenhütte, die letzten 3,5 km auf einem abenteuerlichen Schotterweg, der unserer Führerin und Fahrerin Margot höchste Konzentration und absolute Beherrschung des Sektionsbusses abverlangt. Souverän erledigt, dennoch liegen bei einigen Mitfahrer*innen die Nerven blank, als wir den kleinen Parkplatz an der Hütte auf 2050 m erreichen.

Das heutige Etappenziel ist die Lasörlinghütte, unser Stützpunkt für die nächsten zwei Tage, den wir ja schon vom letzten Jahr kennen und in sehr guter Erinnerung haben. Auf dem Weg dahin wollen wir das Gritzer Hörndle (2631 m) mitnehmen, ein netter Grasberg am Südrand der Lasörlinggruppe. Der Pfad führt angenehm meist durch Weidegebiet weitläufig auf den Gipfel, lediglich die letzten Höhenmeter sind etwas steil und schweißtreibend. Die Gipfelrast wird hochverdient genossen, die Rundumsichten sind prächtig. Im Süden das Defereggental mit den Villgratener Bergen dahinter, im Osten die uns schon vom letzten Jahr bekannten Gipfel, der Speikboden, der Donnerstein und der Zupalkogel, nordwestlich unter uns lachen uns schon die schön gelegenen Gritzer Seen an.

Die Gritzer Seen liegen auf ca. 2500 m Höhe, der Pfad führt uns im Zickzack hinunter. Wir wandern links an den Seen vorbei und steigen dann auf zum 2616 m hohen Virgentörl. Von nun ab geht‘s nur noch bergab. Bald sehen wir schon den massigen Lasörling in der Ferne aufragen, an seinem Fuß davor die filigran wirkende, achteckige Lasörlinghütte. Was für ein Anblick! Wir beneiden die Rinder, die in der Nähe auf der Weide liegen und stoisch wiederkäuen – sie können dieses Panorama den ganzen Sommer lang genießen. Wir sind zeitig dran, haben keine Eile und suchen uns auch ein gemütliches Plätzchen in Kuhnähe zum Rasten und Schwelgen.

Die Lasörlinghütte liegt auf 2350 m und ist der perfekte Ausgangspunkt für die Lasörling-Besteigung. Die Hütte ist entsprechend bevölkert, bis auf den letzten Platz ausgebucht, obwohl wir unterwegs kaum Wanderer getroffen haben. Die privat geführte Hütte feiert heuer ihr 40-jähriges Bestehen, die acht Außenwände sind frisch geschindelt und leuchten hell und freundlich, ein großes, nagelneues Namensschild hängt über dem Eingang. Alles sehr einladend, mit einer netten und freundlichen Hüttenwirtin, die das volle Haus voll im Griff hat. Wir gönnen uns ein Getränk, stärken uns mit was Gutem aus der Küche und beziehen Quartier. Bis zum Abendessen ist noch etwas Zeit, wir haben noch (oder wieder) Power und beschließen, zum Berger Törl aufzusteigen. Der Weg dahin folgt zunächst mal dem Aufstieg zum Lasörling, zweigt aber bald nach rechts ab zur Scharte zwischen dem Säule und dem Lasörling, dem Berger Törl auf ca. 2800 m Höhe. Da ist er wieder, der Wow!-Moment, wenn man am Törl plötzlich im Norden das ganze Venediger & Co-Panorama vor sich sieht. Wow, was für ein grandioser Anblick! Im Vergleich zum Vorjahr fällt auf, dass es drüben deutlich weniger Schnee und Gletscher gibt, es gleißt nicht so stark, der Schnee sieht eher gelblich-grau aus, vermutlich der Sahara-Staub vom Frühsommer und Geröll vom allgemeinen Gletscherschwund. Trotzdem noch ein imposanter Anblick. Links im Westen ist auch das Gipfelkreuz auf dem Lasörling Hauptgipfel zu erkennen, unser Ziel morgen. Hat sich gelohnt, die kleine Spätnachmittags-Strapaze.

Sonntagmorgen, vor acht. Die Truppe ist bereit für den 3098 Meter hohen Lasörling. Den ersten Teil vom Aufstiegsweg kennen wir schon von gestern. Die Abzweigung zum Berger Törl lassen wir jetzt aber rechts liegen und marschieren weiter südwestlich, in mäßiger Steigung zunächst unterhalb des langgezogenen Lasörlingmassivs in Richtung Abzweig zum Prägrater Törl. Am Abzweig halten wir uns rechts und steigen über immer steiler werdendes Schutt- und Blockgelände in Richtung Gipfel. Als es richtig steil und ausgesetzt wird, lernt der Autor dieser Zeilen (also ich), dass die von unserer Führerin freundlich an mich gerichtete Frage „Magst du jetzt hinter mir hergehen?“ mitnichten als unverbindliches Angebot gemeint ist, zu meinen Gunsten die Gruppenreihenfolge zu ändern. Die letzten luftigen Höhenmeter bezwinge ich also in Margots Windschatten und orientiere mich exakt an ihren Griffen und Tritten. Ois easy, kein Ding für‘n King.

Vom Gipfel ist die Rundumsicht atemberaubend. Nahezu alle 3000er Osttirols soll man angeblich sehen können, die gesamte Lasörlinggruppe überblickt man sowieso von hier oben, und im Süden hinter den Villgratener Bergen ragen zahlreiche Dolomitengipfel empor. Wir können uns viel Zeit lassen für die Gipfelrast, wir waren schnell. Die Brotzeit und das sagenhafte 360-Grad-Panorama können wir nun ausgiebig genießen. Sarah und Fonse hocken lange neben dem Gipfelkreuz und zeigen sich eifrig und begeistert gegenseitig die entfernten Gipfel und Pfade, die sie schon mal gemeistert haben, manche sogar auf gemeinsamen Touren. Irgendwann reißen wir uns wieder los vom Gipfel und steigen auf demselben Weg ab.

An der Lasörlinghütte angekommen, gibt‘s erst mal was Gscheids zu essen und zu trinken und es wird ein bisschen gefaulenzt. Bald kommen aber die ersten Überlegungen, was wir denn mit dem angebrochenen Nachmittag noch so anstellen können, z.B. noch etwas die Beine vertreten. Ein kleiner Gipfel geht schon noch vor dem Abendessen. Auf einem schönen Pfad erwandern wir schließlich einen unscheinbaren Grashügel mit einem improvisierten Gipfelkreuz aus zwei Weidezaunpfählen, die Merschenhöhe (2499 m) glaube ich. Unscheinbar, aber mit grandioser Sicht auf den frisch bezwungenen Lasörling. Wir schwelgen noch ein wenig, schießen ein paar Fotos und machen uns wieder auf den Rückweg zum Abendessen.

Am nächsten Morgen hält das Wetter immer noch, für die Mittagszeit sind allerdings Gewitter angekündigt. Wir brechen also bald auf, denn wir wollen nicht auf dem kürzesten Weg zurück zum Parkplatz, sondern mit ein paar extra Kilometern und extra Höhenmetern noch den Speikbodengipfel mit dem riesig hohen Gipfelkreuz mitnehmen. Nach einigem Auf und Ab und dem schweißtreibenden Aufstieg zur Scharte entscheiden wir uns aber gegen den finalen Gipfelaufschwung. Über den Villgratener Bergen ziehen dunkle Wolken auf und es ist ein entferntes Donnergrummeln zu hören. Wir steigen also lieber ab und erreichen trocken, zufrieden und glücklich unseren Bus.

Ein perfektes verlängertes Bergwochenende liegt hinter uns. Was für eine reizvolle Landschaft, was für ein wuchtiger Lasörling, was für grandiose Aussichten, was für ein eindrucksvolles Bergerlebnis, was für eine tolle Hütte, was für eine angenehme Gruppe! Danke Margot, dass du das möglich gemacht hast!

Manfred Stiegler