Brünnstein von Oberaudorf

Zwei Feuersalamander, drei Dutzend Schnecken, neun Stunden, 1330 Hm, 19 km – damit wären schon mal die wichtigsten Eckdaten unserer Brünnstein-Tour aufgezählt. Aber immer der Reihe nach. Gleich beim Start an der Talstation der Hocheckbahn stellt uns unser Tourenführer Lutz so eine Art Nepal-Trekking-Anmutung in Aussicht. Wir verdächtigen ihn sofort, dass er damit nur den langen Aufstiegsweg durch das wildromantische Brünntal zum Brünnstein und den noch längeren Rückweg über die Längau Alm und Buchau schönreden will. Voll motiviert ziehen wir also los und steigen über den breiten Fahrweg auf zum Hocheck Berggasthof. Alle dicken, großen Schnecken, die auf oder gefährlich nah der Fahrbahn waren, werden in aufwendigen Aktionen behutsam auf die andere Wegseite getragen und dort abgesetzt, geschätzt so etwa drei Dutzend. Ähnlich ergeht es zwei Feuersalamandern, die im Gras am Wegrand überlegen, ob sie wirklich den Weg überqueren wollen.

Hinter dem Berggasthof geht es auf feuchten Wiesen- und Waldpfaden weiter. Kurz sehen wir den felsigen Gipfelaufbau des Brünnsteins weit vor uns, ganz oben leicht in Wolken gehüllt. Schon irgendwie wie Nepal. Aber der Weg führt uns tief in und durch üppig grünende Wälder, bald plätschert uns der Brünnbach munter entgegen, ein kleiner Wasserfall rauscht über eine Felsstufe. Wir verlassen das Brünntal und steigen durch den knorrigen und bizarren Bergwald hoch Richtung Brünnsteinhaus. Überall grünt es überschwänglich, die Bäume, das Gestrüpp, die Farne, viele Blumen. Es ist feucht, Vögel zwitschern, kleine Bäche fließen fast überall, wir über-, unter- oder umsteigen umgestürzte Bäume, oft quert der Weg unter mächtigen Felswänden. So ungefähr stelle ich mir den Urwald vor, nur wärmer und dampfiger. Wenn hier Tarzan an Lianen über uns hinwegturnen würde, ich wäre nicht überrascht.

Ein letzter Aufschwung, plötzlich stehen wir auf der Terrasse des Brünnsteinhauses. Prima, die Hütte ist schon geöffnet. Pause, essen, trinken, pieseln. Dann ist Schluss mit lustig. Jetzt geht es über den Dr.-Julius-Mayr-“Kletter“steig auf den Gipfel. Ein abwechslungsreicher Steig, mal steil, mal luftig, mal durch einen mächtigen Felsspalt, mal über Eisentreppen, mal im Gehgelände und immer gut gesichert bis zur kleinen Gipfelkapelle. Ungesichert hangeln wir noch den schmalen Grat rüber zum schmiedeeisernen Gipfelkreuz. Jetzt gibt es erst mal die ausgiebige Gipfelrast. Die Rundumsicht vom Brünnstein ist wirklich brauchbar. Es ist nicht mehr ganz so diesig wie beim Start, wir können also so ziemlich alle Gipfel des Mangfallgebirges überblicken, das Inntal, einige der Chiemgauer Berge und natürlich Kaiser und Co. Wegen der immer noch tief hängenden dicken Wolken ist die Fernsicht in die Tauern oder nach Westen doch etwas eingeschränkt. Aber wir können klar und deutlich tief nach unten schauen und Teile unseres weiten Rückwegs sehen und uns den Rest vorstellen. Mon Dieu! Nach einer halben Stunde Gipfelglück geht es auf demselben Weg wieder zurück zum Brünnsteinhaus.

Vom Brünnsteinhaus führt uns unser Weg erst mal östlich und dann westlich um den Brünnstein herum und dann mehr oder weniger steil nordwärts herunter zur Längau Alm. Durch schönes, liebliches Almgebiet mit saftigen Weiden und glücklichem Vieh marschieren wir dann teils weglos nach Buchau. Die Wolken haben sich mittlerweile größtenteils verzupft, der Himmel über uns strahlt bayerisch weiß-blau. Was für ein Anblick, was für ein Glücksgefühl: die Füße im satten Grün, den Kopf im strahlenden Weiß-Blau, in den Knochen die anstrengende Brünnstein-Tour. Da muss dann doch noch eine Weißbier-Rast am Bergasthof Buchau drin sein. Danach gehen wir dann vollends glücklich, zufrieden und beschwingt die letzten Meilen herunter nach Oberaudorf zum Auto. Danke nochmals an Lutz für diese schöne Tour mit der Nepal-Trekking Anmutung. Voll krass!

Manfred Stiegler