Überschreitung Benediktenwand (1801 m) am 20.10.2024

Die Benediktenwand zählt nun nicht direkt zu den einsamen Bergzielen, unser Tourführer Lutz hatte sich als Abschlusstour für das Sommerprogramm 2024 aber eine besonders ruhige, wenig begangene und unglaublich reizvolle Runde vorgenommen: von Jachenau Dorf die Westüberschreitung der Benewand von der Glaswandscharte bis zum Gipfel mit dem Abstieg über die Südflanke.

Treffpunkt in Grafing ist um 7:30 Uhr bzw. 8:45 Uhr am Wanderparkplatz unterhalb der Jachenauer Kirche. Um Punkt neun stehen wir zu sechst abmarschbereit vor dem mächtigen Wegweiser am Ende des Parkplatzes und staunen über die vielen Ziele und Wege, die da aufgezeigt werden. Unser Ziel ist auch dabei: Benediktenwand 4½ Stunden. Immer entlang der Großen Laine geht es zunächst durch Weideland und dann durch sehr schönen, herbstlich eingefärbten Mischwald in mäßiger Steigung hinauf zur Lainl Alm. Hier ist der Zusammenfluss von Staffelbach und Glasbach, die dann talwärts die Große Laine bilden. Wir folgen nach rechts dem Lauf des Glasbachs und erreichen bald die Laintal-Wasserfälle. Imposant und sehr fotogen stürzt hier der Glasbach über eine breite Felsstufe in eine glasklare Gumpe, von rechts gesellt sich noch ein kleinerer Wasserfall aus dem Gemsgraben hinzu. Dieses einmalige Spektakel lädt direkt zu einem Fotoshooting ein, was wir auch ausgiebig nutzen.

Der Weiterweg wird nun steiler und anstrengender. Abwechselnd über Schrofen, steil abfallende Grashänge und wurzelig steinige Waldsteige folgen wir dem Glasbach, der ganz pittoresk immer wieder kleinere Wasserfälle und schöne Gumpen bildet. Mal wild, mal mild, sucht er sich seinen Weg talwärts und verzaubert die herbstlich bunte Landschaft. Wir sind total verzückt von diesem herrlichen Naturschauspiel, das uns auf unserem Weiterweg begleitet.

Nach dem Almgebiet der Peterer Alm tauchen wir tief in den Bergwald ein und erreichen auf einem kaum erkennbaren Steig um drei viertel zwölf die Glaswandscharte. Wir halten uns rechts, folgen dem Wegweiser zur Benediktenwand und erreichen auf einem abwechslungsreichen Weg einen wunderbaren Rastplatz, bevor es in die Latschenzone des Gipfelaufstiegs geht. Von hier können wir in die Jachenau hinabschauen und unseren bisherigen Weg gut verfolgen. Etwa acht Kilometer sind wir bisher gegangen. Die Fernsicht hinüber ins Karwendel und ins Wettersteingebirge ist etwas eingetrübt, das Zugspitzmassiv können wir immerhin eindeutig erkennen. Weiter geht es im schrofigen Gelände durch Latschengassen und entlang unzähliger Dolinen Richtung Gipfel. Das Kreuz sehen wir bald schon vor uns aufragen, aber eine halbe Stunde werden wir uns schon noch plagen müssen. Beim Zurückblicken rüber zu Jochberg, Herzogstand und Kochelsee bemerken wir die Hochnebeldecke, die von Norden bis zum Kesselbergsattel hinaufreicht. Wir sind über den Wolken, welch ein gutes Gefühl. Unsere Freiheit muss wohl grenzenlos sein!

Um viertel nach eins sind wir am Gipfelkreuz. Mit der Einsamkeit und Ruhe, die wir bisher auf unserem Weg genießen durften, ist es definitiv vorbei, der Gipfelbereich ist reichlich bevölkert. Der fantastischen Rundumsicht schadet das allerdings nicht im Geringsten. Von den bayerischen Bergen im Osten, im Süden dem Rofan, dem Karwendel und darüber hinaus, im Westen bis zum Wettersteingebirge und Herzogstand und Co. ist alles da. Die Fernsicht ist etwas eingetrübt und im Norden liegt die Hochnebeldecke, die Gesamtschau ist aber einfach grandios. Wir suchen uns ein einigermaßen ruhiges Plätzchen in einer Senke unterhalb des Gipfelkreuzes und machen uns über unsere Brotzeiten her. Eine ganze Schar von zutraulichen Dohlen leistet uns Gesellschaft und erbettelt sich ihre Anteile. Um zwei Uhr sind alle gesättigt und wir brechen wieder auf.

Der Abstieg geht über die Südflanke hinunter zur Bichler Alm. In der Literatur wird dieser Weg Altweibersteig genannt. Das ist mittlerweile politisch/gesellschaftlich nicht korrekt, geht gar nicht und ist im Übrigen total fehl am Platze. Im Steig geht es nämlich ganz schön zur Sache! Ein Warnschild weist ausdrücklich auf die gefährliche Wegstrecke hin. Steil, schrofig und holprig geht es hinab, an einigen besonders heiklen Stellen sind Stahlseile fixiert. Weiter unten wird es flacher und grasig, wir erreichen das Gebiet der Bichler Alm. Sie hat an diesem Wochenende noch geöffnet, wir kehren auf einen Kaffee und ein Stück Kuchen ein. Es ist recht nett hier auf der Terrasse, wir können noch in Ruhe ein wenig ratschen und es ist eh Kaffeezeit.

Lutz musste seine ursprüngliche Tourplanung ändern, weil der vorgesehene Weiterweg hinunter ins Tal über den Langecksattel wegen Bauarbeiten gesperrt ist. Wir schlagen also einen anderen, längeren und auch noch mit einem Gegenanstieg garnierten Weg über die Tannenalm und die Erbhofer Alm ein. Aus den vorgesehenen 1000 werden es so mehr als 1100 Höhenmeter und aus den erst geplanten 16 werden es gut 20 Kilometer Gesamtstrecke. Der Weg ist leicht zu gehen, landschaftlich schön und ermöglicht uns im ersten Teil noch wunderbare Blicke zurück auf die Hänge der Bichler Alm und die Südabstürze der Benediktenwand und der Achselköpfe, die im Licht der schon tief stehenden Sonne herüberleuchten. Der Gegenanstieg erweist sich als wenig anstrengend, die Zusatzkilometer schmelzen nur so dahin. Zum Schluss hin, auf den befestigten Almstraßen, zieht es sich dann schon ein bisschen. Fast im Tal angekommen, können wir dafür aber noch einen sehr stimmungsvollen rot-violetten Sonnenuntergang beobachten und genießen. Die Sonne ist gerade verschwunden, als wir um halb sieben im Gasthof Jachenau einkehren. Wir haben Glück, es gilt noch die Kirchweihkarte, es gibt Gans und Ente mit Rotkohl und Knödel. Uns geht’s gut! Was für eine Tour, was für ein Abschluss!

Herzlichen Dank an Lutz fürs Organisieren, Fahren und das entspannte Führen. Vielen Dank auch an die harmonische Gruppe, es hat ungeheuer viel Spaß gemacht.

Manfred Stiegler