Die Vorbereitungen für die Tour starten mit Hoffnung, da der Wetterbericht nichts Gutes vorhersagt. Eine satte Kaltfront nähert sich von Westen und hat Gewitter und Dauerregen im Gepäck. Aber wir verlieren nicht den Mut und entscheiden uns zumindest für einen Versuch.
Der Treffpunkt ist am Samstag um 7 Uhr vor der DAV-Geschäftsstelle und das Hoffen hat sich zumindest in Teilen gelohnt. Es regnet nicht, aber von hochsommerlichen Temperaturen sind wir weit entfernt. Ein Blick auf die Wetterkarte zeigt zudem, dass sich der Regen in Richtung Hohe Tauern verzogen hat. Vielleicht haben wir Glück und kommen trockenen Fußes auf die geplanten Gipfel. Also starten wir in Richtung Alpbachtal.
Der Parkplatz an der Seilbahn ist zum Gähnen leer. Niemand traut sich bei der Wettervorhersage raus in die Berge. Bei einsetzendem Nieselregen nutzen wir die Seilbahn für den ersten Teil des Aufstiegs und fahren rauf bis zur Dauerstoa Alm. Hier ein ähnliches Bild – kaum eine Menschenseele zu sehen.
Für uns heißt es jetzt: Regenjacke an und los geht es in Richtung Wiedersberger Horn. Das Gipfelkreuz ist schon von Weitem zu sehen, sodass das erste Ziel des Tages in Reichweite liegt. Der Aufstieg macht uns wenig Probleme, nur der Ausblick von oben lässt zu wünschen übrig. Man kann das Zillertal erahnen, aber der Standkopf als Tagesziel liegt in greifbarer Entfernung in Nebelschwaden verborgen. Kurz vor dem Gipfel treffen wir auf eine Herde Kühe, die dem kalten Wetter trotzen und es sich gemütlich gemacht haben – mitten auf dem kleinen, steilen Pfad, der uns raufbringen soll. Die Tiere lassen sich von uns nicht beeindrucken und machen keinen Zentimeter Platz für uns Wanderer. Gelassenheit ist auf dieser Tour oberstes Gebot, also zücken wir die Handys und machen ein paar schöne Fotos von den Weidetieren. Die Gipfelrast fällt kurz aus und wird für etwas Verpflegung genutzt, aber hauptsächlich für einen tiefen Griff in den Rucksack. Warme Kleidung muss her. Auf dem Grat zwischen den beiden Gipfeln pfeift es gewaltig und die Temperatur ist gerade noch zweistellig. Der Wettergott hat aber irgendwann ein Einsehen mit uns und der Regen hört auf. Je näher wir dem Standkopf kommen, umso lichter werden auch die Wolken, bis sich im Osten der Wilde Kaiser zeigt. Auf dem Standkopf entscheiden wir uns für eine ausgiebige Gipfelrast und treffen auf weitere hartgesottene Bergfexe. Von oben sind aber noch weitere Bergbewohner zu erkennen, die die ruhige Zeit für sich nutzen. Auf dem Nordhang tummeln sich unzählige Gämsen und genießen die Ruhe. Mittlerweile haben sich auch die Wolken gelockert und geben das Karwendel und das Rofan frei. Die Gipfelrast fühlt sich jetzt ein bisschen wie Sightseeing an.
Zurück geht es wieder über den Grat und so langsam erwacht die Gemeinde der Berggeher. Erste Gruppen kommen uns von der Dauerstoa Alm entgegen, auf dem Grat wird es aber nie eng. Je näher wir der Alm kommen, umso belebter wird sie. Weniger die Wanderer sind unterwegs, sondern eher die kulinarischen Gäste, die einen Platz in der Alm für das leibliche Wohl suchen. Wir tun es ihnen gleich und freuen uns auf eine heiße Suppe und ein gutes Weißbier. Und dann ist sie da! Die Sonne kommt raus und wärmt uns wieder auf. Der Aufenthalt auf der Almterrasse wird spontan um ein weiteres Weißbier verlängert und alle sind sich einig: Die Entscheidung, trotz einer schlechten Wettervorhersage die Tour in Angriff genommen zu haben, war absolut richtig. Wir haben der Vorhersage auf der App zwar Beachtung geschenkt, aber auch das Bergwetter auf der Tour lesen können. So wurden wir mit einem interessanten Tag in den Bergen und einem sonnigen Bier auf der Alm belohnt.
Kai Cardinal von Widder