Die Aussicht auf Bergtouren im Wallis und als „Zusatz-Zuckerl“ die Besteigung eines 4000ers hat mich natürlich ganz besonders gereizt – zumal ich das letzte Mal im Jahr 2004 auf einem Berg über 4000 m war – und das war der El Misti (5822 m) in Peru. Also schon lange her!
Wir starteten zu viert (Sarah, Damian, Margot, Hans) am letzten Schultag vor den bayerischen Sommerferien, um dem Samstagsstau zu entgehen – aber auf diese Idee sind viele andere auch gekommen, und so standen wir, sobald wir auf die Autobahn aufgefahren waren, schon im Stau. Und dies sollte unsere ganze Fahrt lang so sein – immer wieder Stau – sodass wir erst um kurz nach 17 Uhr am Nufenen-Pass, dem Ausgangsort unserer ersten Touren, ankamen. Unterwegs haben wir in Airolo noch Rainer, der in Zürich wohnt, aufgesammelt, und so starteten wir zu fünft los zu unserem Übernachtungsziel, dem Rifugio Città di Busto. Der Hüttenzustieg ist sehr lang – er zieht sich über mehrere Jöcher mit immer wieder Auf- und Abstiegen – und wir mussten die Beine in die Hand nehmen und ordentlich Tempo machen, damit wir noch eine Chance auf ein Abendessen auf der Hütte hatten. Wir hatten Glück – die Hütte hatte nur wenig Gäste zum Übernachten da und die Hüttenwirtin hat uns um 21 Uhr noch ein leckeres Abendessen gekocht. Somit war der Abend gerettet!
Am nächsten Morgen starteten wir schon früh, um auf das Blinnenhorn (3374 m) zu steigen. Auch in den Schweizer Alpen hat es spät im Jahr noch geschneit und überall, was nicht südseitig ausgerichtet ist, lagen noch viele und teilweise meterhohe Schneefelder. So mussten wir auch bald die Steigeisen anlegen, denn die Schneefelder steilten zunehmend auf. Der ursprüngliche Direktzustieg zum Blinnenhorn stellte sich aber dann als nicht mehr machbar heraus. Scheinbar war da früher mal ein Gletscher, der jetzt fast komplett abgeschmolzen ist, und der Felsgrat ist sehr steil, sehr ausgesetzt und extrem bröselig – man kann eigentlich kaum was anlangen, das hält. Wir hätten dann noch eine fast senkrechte Südflanke in diesem Bröselgelände queren müssen, und das war uns dann doch zu heiß, sodass wir beschlossen, umzudrehen und auf dem Normalweg auf das Blinnenhorn aufzusteigen. Das hieß aber noch mal zusätzlich mindestens zwei Stunden Umweg, weitere Abstiege und zusätzliche Höhenmeter, die wir aber in dieser Situation gerne in Kauf nahmen. Das Wetter war uns hold und wir erreichten den Gipfel des Blinnenhorns bei Sonnenschein, aber doch relativ viel Wind, sodass wir uns doch warm anziehen mussten. Leider hatte Rainer Probleme mit der Höhe und musste umdrehen, sodass wir nur zu viert auf dem Gipfel standen, der uns mit einer herrlichen Aussicht belohnte. Die Rast war nur kurz, denn wir hatten den langen Abstieg zum Rifugio Città di Busto noch vor uns. Von dort aus wieder zurück zum Nufenen-Pass, denn unser nächstes Ziel am Abend war ein Hotel am Simplon-Pass, von wo aus wir einen weiteren 3000er in Angriff nehmen wollten.
Es kam, wie es kommen musste – bis wir am Simplon-Pass ankamen, war es wieder 21 Uhr und die Hotelbesitzerin hatte uns schon angekündigt, dass sie um 21:30 Uhr das Hotel zusperren würde. Wir waren alle müde und ausgehungert von der langen Bergtour und wussten nicht, ob wir heute noch etwas zu essen bekommen würden, denn am Simplon-Pass gibt‘s nur dieses eine Hotel und sonst nichts. Die Wirtin hatte aber Erbarmen mit uns und hat uns dann tatsächlich auch noch ein 3-gängiges Essen gekocht und wir mussten nicht halb verhungert schlafen gehen.
Unterwegs hatten wir schon das Wetter gecheckt – es sagte für Montag noch schönes, stabiles Wetter an, für Dienstag, dem eigentlich geplanten Tag für unseren 4000er, dem Nadelhorn (4325 m), allerdings schon Wolken, Gewitter und Regen. Also wurde der Plan kurzerhand am Morgen geändert – ein Anruf auf der Mischabelhütte – unsere Reservierung war umgebucht und wir befanden uns nach dem Frühstück auf der Fahrt nach Saas Fee, dem Ausgangspunkt für den Hüttenzustieg. Rainer hatte leider weiterhin Probleme mit der Höhe und musste die Tour abbrechen, und wir haben ihn unterwegs in Brigg am Bahnhof abgesetzt, damit er nach Hause fahren konnte.
Das Wetter war wirklich so schön wie vorhergesagt – im Tal hatte es 35 Grad, in Saas Fee auf knapp 1800 m vielleicht noch 26 Grad, aber die haben uns auf dem südseitigen und sehr steilen Aufstieg zur Hütte ganz schön ins Schwitzen gebracht. Die Mischabelhütte liegt auf 3300 m auf einem exponierten Felssporn und man fragt sich, wie sie die da hinaufgebaut haben. Die letzten 1,5 Stunden zur Hütte ist man im teilweise exponierten Kraxelgelände unterwegs. Es gibt ein paar Versicherungen, aber Baumaterial kann man da eigentlich nicht hinauftragen und Lastentiere können das auch nicht mehr gehen.
Von der Mischabelhütte aus kann man mehrere Touren machen – dementsprechend ist sie auch sehr gut besucht. Wir bezogen unser Quartier in der alten Hütte, die ein paar Meter unter der neuen liegt, und wurden mit sehr leckerem Abendessen verwöhnt.
Das Frühstück am nächsten Morgen erfolgte in Schichten – dazu wird man eingeteilt. Die erste Schicht gehört immer den Schweizer Bergführern, die dauerhaft auf der Hütte wohnen und dort ihre Gäste empfangen, um sie am nächsten Tag wo auch immer hinzuführen. Wir waren in der zweiten Schicht dabei – also Frühstück um 4 Uhr – und dann ging‘s los zum Gipfelsturm – zuerst mit Stirnlampen, dann mussten wir bald anseilen und die Steigeisen anlegen. Wir hatten strahlendblauen Himmel und Sonnenschein, aber es war unglaublich stürmisch und in diesen Höhen dementsprechend kalt. Wir haben alles angezogen, was wir dabei hatten, inklusive Handschuhe und Mütze unter den Helm. Der untere Teil des Gletschers war noch relativ flach, aber sehr spaltig, aber dann ging es steil mehr oder weniger in der Direttissima nach oben zum Windjoch und von dort auf dem Grat zum Gipfel des Nadelhorns. Wir mussten uns mit aller Kraft gegen den Wind stemmen, damit dieser uns nicht vom Grat bläst, und zusätzlich aufpassen, dass wir auf dem steilen Gletscher die Steigeisen gut setzen und nicht abrutschen. Die letzten 100 Höhenmeter zum Gipfel sind dann eine Mischung aus Fels und Eis, auch teilweise sehr ausgesetzt, und es ist eine etwas wilde Kraxelei mit Steigeisen angesagt, bis man das Gipfelkreuz erreicht. Und jetzt wissen wir auch, warum das Nadelhorn heißt – das Gipfelkreuz ist winzig und wir konnten uns zu viert gerade so drumherumstellen –, hinter uns gings Hunderte Meter runter. Das reichte gerade für ein Gipfel-Selfie, und wegen des starken Windes stiegen wir dann erst mal einige Meter in die südseitige Felsflanke ab, wo es etwas windgeschützter war, um eine kurze Brotzeit und Trinkpause zu machen. Dann ging es im Sturm wieder zurück über den Aufstiegsweg, und erst, als wir wieder im flacheren Teil des Gletschers waren, ließ der Wind nach und wir konnten uns endlich ein paar Klamotten entledigen. Nach einem Mittagessen auf der Mischabelhütte stiegen wir dann wieder ab nach Saas Fee und fuhren wieder zurück zum Simplon-Pass in unser bereits bekanntes Hotel. Dieses Mal waren wir rechtzeitig da und konnten zu normaler Zeit etwas zu Abend essen.
Am nächsten Morgen dann traten wir die lange Fahrt an, zurück nach Hause. Wir entschieden uns, über den Furka-Pass zu fahren, und statteten dem Rhone-Gletscher und der Eisgrotte noch einen Besuch ab. Die Heimfahrt konnten wir dieses Mal ohne Stau bewältigen und kamen am Abend zu vernünftiger Zeit wieder in Grafing an.
Wir waren uns alle einig, dass es ein wunderbares Erlebnis war, und es ist wirklich super, dass Hans in unserer Sektion die Besteigung eines 4000ers anbietet. Es hat uns alle sehr glücklich gemacht, dass wir das geschafft haben, und ein ganz herzlicher Dank an dich, Hans, für die tolle Planung und Führung.
Margot Morris