Jeder kennt ihn, einige wissen seinen Namen, kaum einer war oben. Wir jetzt schon. Wir, das sind ein VW-Bus voll neugieriger Sektionsmitglieder um unseren Führer Hans Galster. Die Tour war ursprünglich für Anfang Dezember 2023 geplant, musste damals aber wegen des vielen Schnees verschoben werden.
Wenn man auf der Inntal-Autobahn von Innsbruck Richtung Kufstein fährt, erkennt man bald nach Wörgl rechts den Pölven leicht an seinen großen Kalk- und Mergelbrüchen oberhalb von Bad Häring. Wir ersteigen ihn aber von der anderen, ruhigeren Seite, von Reit bei Söll. Einen Wanderparkplatz gibt es nicht, wir parken am Wegesrand bei einem Gehöft und marschieren Richtung Lengauer Kapelle, erst gemächlich, später immer steiler werdend. Das Wetter ist nicht besonders gut, es regnet zwar nicht, aber die Wolken hängen tief, es ist feucht, die Sicht eher bescheiden. Bald erreichen wir den Wald. Steil geht es aufwärts, teilweise erleichtern uns ausgedehnte Wurzeltreppen den Aufstieg.
Auf etwa 1300 m Höhe beginnt ein kurzer Klettersteig, der sogenannte Sinwel-Klettersteig, benannt nach dem österreichischen Heimatforscher und -schützer Prof. Rudolf Sinwel. Der Klettersteig überwindet knapp 200 Hm und ist als leicht eingestuft (A mit zwei kleinen B-Stellen). Eine schwierige Schlüsselstelle gibt es nicht. Brav legen wir aber alle unsere volle Montur an, es ist ja schließlich eine geführte DAV-Tour. Und es ist feucht und rutschig, da schadet es eh nicht, sich einzuhängen. Die hohen Felswände verlieren sich oben in den Wolken und wirken dadurch bedrohlicher als sie sind, während wir uns unschwierig die Stahlseile entlanghangeln. Eine kurze Leiter hilft uns über eine nicht allzu steile Felsplatte hinweg. Zum Schluss noch eine mit Stahlstiften und -bügeln entschärfte Kletterstelle – das war‘s dann auch schon mit Klettersteig.
Weiter geht es auf normalem Weg in moderater Steigung durch den Wald. Entwurzelte, abgebrochene, verfallende und teilweise stark bemooste Bäume liegen im Weg, müssen umgangen, unterquert oder überstiegen werden und wirken dabei sehr pittoresk und wegen des wabernden Nebels auch ein bisschen mystisch. Nach links kommt bald ein kleiner Abzweig zum Häringer Kreuz, wir verzichten aber auf den Abstecher wegen der schlechten Sicht und marschieren zügig zum höchsten Punkt, dem Großen Pölven, auch Mittagskogel genannt. Das Gipfelkreuz ist knapp unterhalb der Abbruchkante zum Inntal und verspricht eine grandiose Sicht in und über das Tal und die Berge rundherum. Heute leider nicht. Ab und zu reißen die tief liegenden Wolken kurz ein bisschen auf und lassen uns erahnen, was wir nicht sehen können. So geben wir uns ausgiebig unserer Brotzeit hin.
Im Abstieg folgen wir dem immer noch pittoresk-mystischen Waldsteig in Richtung Kleiner Pölven. An einer Abzweigung entschließen wir uns einhellig, nicht bis dorthin zu wandern (die Aussicht auf Aussicht ist eher mau), sondern direkt zur Reiteralm und weiter nach Reit abzusteigen. Hier wird es nochmal eine halbe Stunde lang richtig steil und rutschig. Unsere volle Konzentration ist gefordert, um nicht auf dem Hosenboden zu landen. Dann erreichen wir den Waldrand und ein gemütlicher Almweg nimmt uns auf. Beim Blick nach oben zum Waldrand können wir noch ein Rudel Gämsen beim Äsen beobachten. Entspannt und angeregt ratschend hatschen wir weiter hinunter zum feuerroten Bus, aus dem unser fürsorglicher Führer ein paar Dosen Radler hervorzaubern kann, bevor er uns wieder heimfährt. Schön war‘s, vielen Dank, Hans! Und bei guter Sicht mache ich das bald nochmal.
Manfred Stiegler